Zwölfter Tag - Samstag, der 27.8.94

Etappe 11
Von Oberwart / Burgenland
Nach Jennersdorf
Über Unterwart, Rotenturm an der Pinka, Rohrbach an der Teich, Großbachselten, Mischendorf, Kohfidisch, Kirchfidisch, Gangelberg, Deutsch-Tschantschendorf, Tobaj, Güssing, Langzell, Heiligenkreuz, Mogersdorf, Rax
Distanz ca. 65 km
Bemerkung

Mit gebrochener Speiche auf der Zahnkranzseite des Hinterrads weiter. Speichenspannung korrigiert, aber noch deutlicher Schlag im Hinterrad. Beim Fahren knackt es verdächtig. Hoffentlich hält das Hinterrad durch. Der Fahrradladen an der Hauptstraße und der zweite rechts ab, 50 m von der Hauptstraße in einer Nebenstraße, reparieren um diese Zeit nicht mehr. Verlassen Oberwart gegen 11:20. Strahlender Sonnenschein, leichter Wind, schon fast zu warm.

Fahren auf Hauptstraße Richtung Großpetersdorf, biegen rechts ab nach Unterwart und bleiben auf kleinen Nebensträßchen. Es geht weiter durch Unterwart, Rotenturm (Schloß mit rotem Turm) und Jabing. Alles etwas verschlafene Straßendörfer, nicht unbedingt typische Architektur fürs Burgenland. Hinter Jabing gehts über einen kleinen Hügel in einer langen Abfahrt hinab nach Rohrbach, Großbachselten und Mischendorf. Geradeaus eben weiter bis nach Kohfidisch. Der Hauptstraße folgend durch den Ort, ca. 1 km hinter Ortsende rechts haltend weiter nach Kirchfidisch. Weiter bis zum Flugplatz. Dort links abbiegend Richtung Punitz mit leichtem Anstieg. Auf dem Scheitelpunkt rechts abbiegend nach Gangelberg mit leichtem Anstieg. Bis hierher ca. 28 km. In Gangelberg eine Stunde Rast bis 14 Uhr.

Es gelingt mir, die bisherigen Reiseaufzeichnungen versehentlich zu löschen. Erst nach unserer Rückkehr aus dem Urlaub wird es mir gelingen, sie aus den Tiefen des Computers mühevoll wieder hervorzuholen. Aber jetzt bin ich erstmal deprimiert. Dann beschließe ich, mit einer neuen Datei die Reiseaufzeichnungen fortzusetzen!

Nach der Rast erstmal in die falsche Richtung, nach St. Michael. Nach ca. 2 km bemerke ich das, und wir fahren zurück. In Gangelberg am Gasthaus vorbei den Berg hinauf. Dann wieder hinunter ins Stremtal nach Deutsch Tschantschendorf, auf der Nebenstraße weiter nach Tobaj. Hier auf die Bundestraße und weiter nach Güssing Richtung Graz. Hinter Güssing links ab auf Nebenstraße Richtung Langenzell. Die Straße windet sich immer höher hinauf, verwirrend viele Güterwege ohne Beschilderung kreuzen oder gehen ab. Wir fahren immerzu bergauf, bis wir ganz oben an einer Kaserne vorbeikommen. Wir befinden uns nämlich im Grenzgebiet zu Ungarn. Ich frage einen Posten stehenden Grenzer, ob dies der richtige Weg nach Heiligenkreuz wäre. Er sagt nein, wir sollten wieder zurück und an der letzten Kreuzung links fahren. Wir fahren also wieder ein Stück hinunter, links und wieder hinauf. Oben sitzt ein altes Mutterl vor ihrem Haus. Vorsichtshalber frage ich nochmal. Die Auskunft ist: wir wären falsch, der richtige Weg führt oben an der Kaserne vorbei. Ratlosigkeit. Ich wende ein, daß ich von dem Grenzer eine andere Auskunft erhalten hätte. Sie meint, daß der erst vor ein paar Tagen hier angekommen wäre und sie schon immer hier lebt. Dies gibt den Ausschlag. Wir fahren wieder zurück, und ich pflaume den Grenzer an. Der ist beleidigt und will uns anhand einer Karte beweisen, daß er Recht hat. Schließlich stellt sich heraus, daß der Grenzer stets mit dem Auto über die Bundesstraße nach Heiligenkreuz gefahren ist, und unser gewünschter Nebenstraßenweg der des Mutterls ist.

Wir fahren weiter. Ab hier ist nun streckenweise die Straßenmitte die Grenze nach Ungarn! Hier kann man bequem mit jedem Bein in einem anderen Land stehen. Es geht durch schönen Mischwald in rasanter Fahrt hinab nach Heiligenkreuz. Im Lafnitztal bleiben wir auf der Hauptstraße Richtung Graz. Kurz vor Walledorf beginnt das Vorderrad zu rütteln und ich verliere fast die Kontrolle. Ein Platter innerhalb von zwei Sekunden! Gottseidank ist das nicht während der Abfahrt passiert! Beim Schlauchwechsel stellt sich heraus, daß vorne noch der erste, mit dem Fahrrad gelieferte Schlauch drauf ist und das Ventil aus dem Schlauch herausgebrochen ist. Also keine Chance für eine Reparatur! Mein Ersatzschlauch ist der von Heinrich auf der Gardaseetour dieses Jahr gekaufte Michelinschlauch, welchen er mir gegeben hat als Ausgleich dafür, daß ich ihm meinen Continentalschlauch gegeben habe. Das Ventil dieses Schlauches ist kein Sclaverandventil und viel zu dick für die Öffnung in der Felge! Glücklicherweise hat Elke einen Contischlauch dabei. Ich ziehe ihn auf, da rutscht mir die Felge aus der Hand und knallt mit dem Rand auf den Asphalt! Das Ergebnis ist ein astreiner "Schlangenbiß" im nagelneuen Schlauch! Aber Elke hat vorgesorgt: sie hat noch einen Reserveschlauch dabei.

Die Reparatur wird vollendet und wir fahren weiter. Bei Mogersdorf, direkt an der Bundestraße, ist ein Denkmal an die hier stattgefundene Schlacht gegen die Türken zu besichtigen. 100 bis 110 Tausend Türken standen damals im 17. Jhd. 25 Tausend Verteidigern des Abendlandes gegenüber. Die Christen hatten Glück und konnten den Sieg davon tragen. Wir rollen weiter auf der Bundesstraße die letzten Kilometer bis nach Jennersdorf.

In Jennersdorf auf den Campingplatz. Ein gut ausgestatter, aber fader kommunaler Campingplatz und spottbillig. Abends in den Gasthof Spitz am Ortsrand bei der Bundesstraße. Den führt ein Kunsterzieher an einer Mittelschule zusammen mit seiner Frau. "Städtisch" eingerichtet mit Bildern von ihm und Kollegen an der Wand. Reichhaltige und abwechslungsreiche Speisenkarte. Ich nehme für horrende 120 ATS als Vorspeise eine ungarische Gänseleber, wahrscheinlich über die sehr nahe ungarische Grenze geschmuggelt. Die Gänseleber ist sehr mürbe und wohlschmeckend, leider mit einer braunen Soße und etwas Gemüse zubereitet. Nicht passend für die Leber, verdeckt ihren Eigengeschmack. Wir kommen mit dem Wirt ins Gespräch. Seine Hauptthemen sind die Steuern und das seiner Meinung nach verrottete Sozialsystem.